Der Kuchen wird nicht größer , aber die Stücke werden anders verteilt.
Mit dieser kurzen Formel kann man plakativ die Unterhaltsrechtsreform beschreiben.
Mit dem ab 01.01.2008 geltenden Unterhaltsrecht verfolgt der Gesetzgeber vier Ziele:
1. Stärkung des Kindeswohls
2. Harmonisierung der unterhalts-, steuer- und sozialrechtlichen Regelungen
3. Stärkung der Eigenverantwortung nach Ehescheidung
4. Vereinfachung des Unterhaltsrechts
Die Stärkung des Kindeswohls wird dadurch erreicht, dass in dem neu gefassten § 1609 BGB für minderjährige Kinder schlechthin ein Vorrang geschaffen wird. Alle anderen Unterhaltsgläubiger folgen auf weiteren Rängen (Stufen). Die Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten des vorhergehenden Ranges verdrängeen die Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechigten des nachfolgenden Ranges völlig. Die Ränge sind also nicht durchlässig! Lediglich, wenn auf einer Stufe mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind, wird der (dann noch vorhandene) Unterhalt geteilt.
Diese Regelung gilt für die Fälle, wenn mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind und der Unterhaltspflichtige außer Stande ist, allen Unterhalt zu gewähren (Mangelfall).
Die Unterhaltsansprüche werden in folgender Rangfolge abgedeckt:
1. Stufe: minderjährige unverheiratete und ihnen gleichgestellte volljährige Kinder
2. Stufe: Elternteile, Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer
(3. - 7. Stufe werden hier nicht dargestellt)
Die strenge Reihenfolge bewirkt, dass die Zahl der Kinder, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, sinkt, weil sie mehr Unterhalt bekommen. Andrerseits müssen Elternteile, die aufgrund des Vorrangs der Unterhaltsansprüche von Kindern keinen oder nur noch einen geringeren Anspruch auf Unterhalt haben, häufiger oder in höherem Maße öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.
An der Höhe des insgesamt von dem Unterhaltspflichtigen zu zahlenden Unterhaltsbetrages ändert dies alles nichts. Der Unterhaltspflichtige hat unter Umständen sogar steuerliche Nachteile. Das sog. begrenzte steuerliche Realsplitting kann nunmmehr nur noch in einem geringeren Umfang genutzt werden, da der Anteil des Ehegattenunterhalts durch den vorrangigen Anteil an Kindesunterhalt sinkt.
Der an ein minderjähriges Kind zu zahlende Mindestunterhalt richtet sich nunmehr nach dem doppelten Freibetrag für das steuerrechtliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach dem Einkommensteuergesetz . Dieses steuerliche Existenzminimum wird alle zwei Jahre überprüft, wodurch der Mindestunterhalt angepasst wird.
Entsprechend den Alterstufen der Kinder ist der Mindestunterhalt in § 1612a BGB durch Prozentsätze des doppelten Freibetrages geregelt.
Die Regelbetragsverordnung, die früher den Mindestunterhalt bei minderjährigen Kindern regelte, ist ersatzlos aufgehoben worden.
Dies alles erforderte eine Neufassung der sog. "Düsseldorfer Tabelle".
Die Düsseldorfer Tabelle, die den an das Kind zu zahlenden Unterhaltsbetrag unter Berücksichtigung von Einkommensgruppen d. Unterhaltspflichtigen je nach Alterstufe des Kindes ausweist, ist daher ab dem 01.01.2008 neu gefasst worden.
Das Kindergeld wird nunmehr völlig neu berücksichtigt. Es wird jetzt in vollem Umfang zur Deckung des Barbedarfs des Kindes verwendet, § 1612b BGB, also nicht mehr auf die Elternteile aufgeteilt. Lediglich dann, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht duch Betreuung des Kindes erfüllt (also nicht durch Zahlung von Geld) mindert das Kindergeld nur zur Hälfte den Barbedarf des Kindes.
Beim Unterhalt geschiedener Eheleute (nachehelicher Ehegattenunterhalt, Geschiedenenunterhalt) erhält nunmehr der Grundsatz der Eigenverantwortung das entscheidende Gewicht.
Während früher ein Ehegatte, der nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen konnte, gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt hatte, bestimmt jetzt § 1569 BGB, dass nach der Scheidung es jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur dann, wenn er dazu außer Stande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Dieser veränderte Inhalt zwingt die Ehepartner nach der Ehescheidung noch mehr als bisher, sich um eine Beschäftigung zu bemühen. Der Grundsatz der nachehelichen Solidarität greift nur noch in einem erheblich geringeren Umfang.
Eine Vereinfachung des Unterhaltsrechts findet nur insofern statt, als die Familiengerichte (und natürlich auch die Rechtsanwälte und die Parteien) in Unterhaltsstreitigkeiten nicht mehr so häufig komplizierte Mangelfallberechnungen vornehmen müssen.
Andrerseits wirft die Vielzahl der geänderten Bestimmungen neue Fragen auf, die berücksichtigt werden und geklärt werden müssen.
Es ist daher wie bisher dringend angeraten, bei allen unterhaltsrechtlichen Fragen anwaltliche Hilfe in Anspuch zu nehmen.